Charakter der Woche: Mona Dür

Liebe Mona Dür, Du warst sehr lange in der Lehre tätig, zuletzt als Studiengangsleiterin. Du arbeitest an einer ausländischen Hochschule und hast Dich vor Kurzem selbständig gemacht mit dem Schwerpunkt Innovation im Gesundheitswesen. Welche Bedeutung hat für Dich ein Notizbuch?

Mona: Das Notizbuch begleitet mich seit jeher. Mein erstes Notizbuch habe ich mit sechs Jahren bekommen und es war kein Tagebuch, sondern tatsächlich ein Notizbuch. Ich habe sofort vorne „Gedankenbuch“ draufgeschrieben. Immer wenn ich mit meinem Notizbuch gesehen und gefragt wurde, ob ich denn Tagebuch schreiben würde, habe ich das verneint. Ich habe nie etwas davon gehalten, etwas zu den Tagen aufzuschreiben. Diese habe ich erlebt und kann mich an sie erinnern. Meine Gedanken waren mir immer schon wichtig. Das heißt, ich führe seit jeher Gedankenbücher und ich werfe sie in rigoroser Regelmäßigkeit weg oder verbrenne sie und feiere dies. (lacht) Damit lasse ich wichtige Phasen in meinem Leben los.

Ich habe immer Notizbücher bei mir und auch jetzt eines einstecken. Ich nutze sie für verschiedene Zwecke. Ich habe ein Gedankenbuch, wo meine sehr persönlichen Gedanken hineinkommen. Ich habe ein Forschungstagebuch, wo alle meine Forschungsideen hineinkommen. Ich habe im Normalfall für jedes Projekt ein eigenes Notizbuch, das auf der Vorderseite das entsprechende Logo enthält. Auch mit der Idee von meinem Unternehmen Duervation habe ich mir sofort ein eigenes Notizbuch besorgt. Das musste natürlich die passende Farbe meines Unternehmensauftritts haben, um alle Schritte, Ideen, wichtigen Informationen dort zusammenzutragen.

Natürlich bin ich auch digital unterwegs und habe virtuell alles sehr gut strukturiert. Alles, was aus meinem Gehirn sprudelt, kommt allerdings direkt in die Notizbücher und wird von dort weiterverarbeitet, auch digital.

Du wirfst Deine ausgeschriebenen Notizbücher tatsächlich weg oder verbrennst sie. Wann hast Du damit begonnen oder wie bist Du auf diese Idee gekommen?

Mona: Ich räume prinzipiell gerne und sortiere gerne aus. Es gibt einen Ort, wo ich alle Bücher sammle. Nach einem wichtigen Lebensabschnitt oder bei einem gravierenden Wechsel in meinem Leben denke ich bewusst, dass ich jetzt etwas ändere, so wie aktuell mit meiner Firmengründung von Duervation. Das zelebriere ich und behalte es als eine schöne Zeit in Erinnerung. Manchmal lese ich auch nochmals hinein und denke mir: „Wahnsinn, was da alles war oder ich mir gedacht habe.“ Danach werfe ich sie wirklich mit Freude weg. Ich kann gut loslassen, das ist mir wichtig. Die Dinge sind sowieso in meinem Kopf, das heißt sie sind damit nicht wirklich weg.

Bei sehr bewegenden Erinnerungen kann es vorkommen, dass ich mir bestimmte Seiten herausreiße und mir diese aufhebe. Ansonsten ist mir Entwicklung und Innovation wichtig. Auch ich will mich weiterentwickeln und von vergangenen Dingen befreien. Und stell‘ Dir vor, das liest irgendwer! (beide lachen) Ich finde das Schöne an Notizbüchern ist, dass man hineinschreiben kann, wie man es sich denkt, egal wie der Kontext ist, ob man es missverstehen kann oder nicht. Gerade im akademischen wissenschaftlichen Bereich achte ich darauf, was ich wem wie sage. Im Notizbuch habe ich die volle Freiheit. Dafür ist es auch wichtig, dass es niemand liest und auch nicht nach meinem Ableben.

Du hast von Deinem ersten Notizbuch mit sechs Jahren gesprochen, in dem Du auf die erste Seite „Gedankenbuch“ geschrieben hast. Was steht in Deinen anderen Notizbüchern auf der ersten Seite?

Mona: In den Projektbüchern steht auf der ersten Seite meistens der Projekttitel und mein Name. In den Forschungstagebüchern steht „Science“ oder „Forschung“ und mein Name oder es steht gar nichts Explizites drin und ich schreibe gleich los. Ich habe das Glück, dass die Gedanken und Ideen sozusagen einfach aus meinem Gehirn herausfallen und ich nur schnell einen Stift brauche, um sie aufzuschreiben. Bei den Gedankenbüchern schreibe ich das Buch immer aus. Das führt dazu, dass ich während des Schreibens das Buch wechseln muss. Dann steht im neuen Gedankenbuch auf der ersten Seite gar nichts Besonderes, weil ich direkt akribisch weiterschreibe.

Du hast Dich gerade selbständig gemacht und Dein Unternehmen Duervation Anfang dieses Jahres gegründet. Welche großen Ziele hast Du in Deinem Leben schon erreicht?

Mona: (überlegt) Einerseits die zu werden, die ich sein wollte. Ich habe meine Kinder völlig ungeplant bekommen und bin sehr froh darüber. (lacht) Ich habe mein Doktorat im Bereich „Mental Health and Behaviour“ an der MedUni Wien gemacht, was eine ziemliche Herausforderung war. Ich war die erste Ergotherapeutin, die an der MedUni Wien ein Doktorat abgeschlossen hat. Ich habe es begonnen, als ich mit meinem zweiten Kind schwanger war und es fünf Jahre später abgeschlossen.

Den Studiengang „Angewandte Gesundheitswissenschaften“ an der IMC Fachhochschule Krems, den ich bis vor Kurzem geleitet habe, habe ich federführend mitentwickelt. Das war ein Meilenstein in diesem Bereich. Zuletzt die Gründung von Duervation. Mit Duervation möchte ich mit Unternehmensberatung und Forschung zu Innovation im Gesundheitsbereich beitragen. Ich muss gestehen, dass ich mir früher nie gedacht hätte, dass ich Unternehmerin sein will. Jetzt weiß ich, dass ich genau das machen möchte.

Du bist genau zu der geworden, die Du sein wolltest. Welche Charakterstärken haben Dir dabei geholfen, Deine Ziele zu erreichen?

Mona: Einerseits eine sehr ausgeprägte Kreativität. Eine ganz starke Resilienz. Eine unglaubliche Lebenslust und Lebensfreude. Und die Liebe zu den Dingen, die ich tue. Ich tue lauter Dinge, die ich wirklich gern tue. Das ist zwar recht viel (beide lachen), aber es ist leicht, das alles zu tun, weil es mir wirklich Spaß macht.

Ein wichtiger Schritt war für mich auch die Gründung der österreichischen Gesellschaft für Handlungswissenschaft, AOS. Davon bin ich die Präsidentin. Ich finde, es hat schon immer eine Organisation der Handlungswissenschaft in Österreich gebraucht. Bei einem Workshop zu einer Studie der Europäischen Handlungswissenschaft, bei der ich mitgearbeitet habe, kam heraus, dass es eine nationale Stärkung der Handlungswissenschaft benötigt. Eine Teilnehmerin des Workshops aus Österreich hat mich dann gefragt, ob wir dies nicht umsetzen sollten. Und dann war es klar, dass ich mich darum kümmern werde. Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, dann mache ich es auch. Ich habe eine ziemliche Ausdauer und die Fähigkeit potenzielle Hürden zu überwinden durch kreative Lösungen und immer wieder durch eine riesige Portion Glück.

Andere sagen, dass ich unglaublich zielstrebig und fleißig bin. Ich bekomme außerdem die Unterstützung von anderen Leuten, Freunden und meiner Familie. Ich habe wirklich großzügige Förderer:innen und Unterstützer:innen auf meinem Weg gehabt. Trotzdem gehört für mich auch immer eine Portion Glück mit dazu. Dafür bin ich auch immer sehr dankbar, zum Beispiel dass ich mein Unternehmen Duervation gründen und dafür eine sehr gute Position aufgeben konnte. Das ist ein Privileg. Dazu muss man aber auch loslassen können, ich glaube, loslassen zu können ist für solche Entscheidungen ganz wichtig.

Was sind Deine nächsten großen Ziele, die Du erreichen möchtest?

Mona: Natürlich Duervation. (beide lachen) Die Gründung der GmbH habe ich vollzogen und jetzt geht es darum, mein Unternehmen aufzubauen, Projektförderungen und Mitarbeiterinnen zu bekommen. Ich möchte mit Duervation wirklich Impact haben. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Kundinnen bekomme, mit denen ich im Gesundheitsbereich, für das Personal und die Patient:innen etwas verändern kann. Ich möchte dort hineinwirken und Innovationen voranbringen.

Gibt es noch weitere Ziele, die Du erreichen möchtest?

Mona: Ich habe einen Hund, einen Labrador Retriever namens Vivaldi, mit dem ich gerne ein paar Prüfungen absolvieren möchte. Wir haben bereits im Oktober eine Prüfung probiert, allerdings war bei mir zu diesem Zeitpunkt so viel los, dass ich meine Unruhe auf meinen Hund übertragen habe und die Anweisungen nicht geklappt haben. Daher möchte ich sie dieses Jahr nochmals angehen.

Zudem sind mir einerseits die Förderung von Jungforscher:innen und andererseits die Förderung von Frauen sehr wichtig. Ein Ziel von mir ist es zu frauen- und familienfreundlicheren Strukturen in unserer Gesellschaft und vor allem in der Forschung beizutragen. Ich bringe mich sehr viel in Initiativen ein, die junge Frauen fördern. Ich sage zu meiner Tochter immer, dass ich ein schlechtes Beispiel bin. Die Leute sind zwar von meinem Lebenslauf beeindruckt, allerdings war ich zu Beginn meines Doktorats schwanger und bin nicht in Karenz gegangen, um meine PhD-Stelle nicht zu gefährden. Ich konnte damals von zu Hause arbeiten und man ist mir insgesamt sehr entgegengekommen.

Allerdings ist es etwas anderes, wenn Du zwei Jahre daheim bist und die Zeit mit deinen Kindern anders genießen kannst. Ich habe hingegen immer, wenn mein Sohn eingeschlafen ist, alles liegen und stehen gelassen und an meinem Computer für mein Doktorat gearbeitet. Wenn ich an meine Tochter denke, wünsche ich ihr, dass sie ihre Zeit mit ihrem kleinen Kind anders nutzen wird können. Männer, die in der Forschung in Karenz gehen wollen, sind mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert. Man möchte ein Projekt nicht verlängern oder gefährden.

Welche Deiner Charakterstärken helfen Dir bei der Erreichung Deiner aktuellen Ziele?

Mona: Prinzipiell mein Optimismus und meine Zuversicht. Meine Ausdauer und auch die Freude, kleine Dinge zu verändern, die ein bisschen zu einer Verbesserung der Lebenswelten beitragen. Wahrscheinlich mein Qualitätsanspruch und mein Mut. Meine Kontaktfreudigkeit ebenfalls. Ich liebe es, mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten und gemeinsam Ideen zu spinnen.

Ich spanne den Bogen wieder zu Deinen Notizen, da Du je Projekt ein eigenes Notizbuch führst. Was steht denn auf der letzten Seite Deiner Notizbücher, bevor Du sie wegwirfst oder verbrennst?

Mona: Das ist unterschiedlich. Die Projektbücher können auch irgendwo in der Mitte enden, wenn das Projekt abgeschlossen ist. Ich bewahre sie auch länger auf, weil ich bei den Forschungsprojekten eine Dokumentationspflicht von zehn Jahren habe. Dort steht auf der letzten beschriebenen Seite etwas wie „Mission accomplished“. (beide lachen) Bei meinen persönlichen Gedankenbüchern ist es entweder überhaupt kein großartiges Ende, weil ich bis zur letzten Seite rechts unten am Schreiben bin und gleich im nächsten Buch weiterschreibe. Oder es ist eine Art Rückblick auf die Phase, in der ich das Gedankenbuch geschrieben habe.

Ich habe auch immer in der Nacht ein Notizbuch neben mir liegen, weil ich draufgekommen bin, dass ich mitten in der Nacht geniale Ideen habe, wenn ich wach werde. Da entstehen ganze Projektanträge in meinem Gehirn. Früher konnte ich nicht wieder einschlafen aus Angst, bestimmte Formulierungen bis zum nächsten Tag zu vergessen. Jetzt schreibe ich meine Gedanken alle sofort nieder und kann anschließend gut weiterschlafen. Am nächsten Tag in der Früh denke ich mir: Das ist eine super Formulierung, die ich gleich verwenden kann.

Liebe Mona, diese Herangehensweise ist ein idealer Schluss. Wenn einem mitten in der Nachte geniale Dinge einfallen, schreibt man sie am besten gleich auf, kann somit gut weiterschlafen und hat am nächsten Tag die besten Einfälle bereits festgehalten. Vielen Dank für Deine Einblicke in Deine vielfältigen Tätigkeiten und wie Du Innovation lebst.

Mona Dür absolvierte als erste Ergotherapeutin ein Doktoratsstudium an der MedUni Wien. Sie entwickelte den ersten Masterstudiengang für Angewandte Gesundheitswissenschaften an der IMC Fachhochschule Krems und leitete anschließend ebendiesen. Zudem gründete sie die österreichische Gesellschaft für Handlungswissenschaft AOS und baut gerade ihr Unternehmen Duervation mit Fokus auf Innovation im Gesundheitsbereich auf. Mona Dür lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in der Wachau.

www.duervation.com

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