Liebe Lena Sattelberger, Du bist seit eineinhalb Jahren Geschäftsführerin bei SOLVE Consulting, wir kennen uns von der Donau-Universität Krems, an der ich Dich mit Notizbuch gesehen habe, und Du hast Familie. Was bedeutet für Dich ein Notizbuch?
Lena: Ich habe immer ein Notizbuch dabei und mag dieses Haptische. Trotz dem ich in der Management-Beratung möglichst light – das heißt ohne viel Papier – unterwegs sein möchte, habe ich mein Notizbuch immer dabei. Auch jetzt, wenn ich aufgrund der Pandemie fast ausschließlich im Home-Office bin und kaum Kundentermine wahrnehme, liegt mein Notizbuch immer vor meinem Laptop. Ich schreibe immer in meinem Notizbuch mit, das heißt nicht nur Berufliches sondern auch Privates und gehe dabei chronologisch vor.
Ich schreibe bei wichtigen Terminen wesentliche Stichworte und To-dos immer nebenbei on-the-fly mit. Allerdings, ich habe leider eine total hässliche Handschrift (lacht). Ich kann sie selbst manchmal kaum entziffern, finde aber immer die wichtigsten Punkte, die ich nachvollziehen möchte. Vor allem unterstreiche ich immer meine To-dos und hake sie ab, was mir zum Strukturieren und Erinnern wichtig ist. Ich bin noch immer an der Donau-Uni, bilde mich nebenberuflich sehr viel weiter, bin Mentorin für junge Frauen und alles das findet sich in meinem Notizbuch.
Es ist auch immer schon das nächste bereit. Immer, wenn mir ein tolles Notizbuch begegnet, nehme ich es als mein nächstes Notizbuch mit. Ich habe in meinem Schrank die Notizbücher des letzten Jahrzehnts und auch schon mein nächstes wieder. Ein Notizbuch hat also eine große Bedeutung, ist ein ständiger Begleiter neben meinem Laptop und ein Kurzzeitspeicher für meine To-dos.
Nachdem Du alles in Dein Notizbuch schreibst, egal ob Berufliches, Privates oder Anderweitiges, differenzierst Du dies in Deinen Notizen?
Lena: Ich differenziere nicht wirklich. Ich schreibe meistens Kürzel dazu, mit wem das Gespräch ist, das Datum natürlich, aber es ist nicht besonders färbig. Es ist alles mit demselben Kugelschreiber geschrieben, bis vor Kurzem. Ich habe Anfang des Jahres einen Kurs besucht namens „Visuals for Business“, habe nebenbei jetzt meine Neuland-Stifte und mache zeitweise ganz bewusst Skizzen oder Grafiken (blättert in ihrem Notizbuch).
Ich habe zum Beispiel ein Visionsbild gezeichnet zu einer Idee, die ich gerade verfolge. Diese Dinge sind bunt. Ansonsten ist alles in einem und in gleicher Farbe. Und es könnte niemand anderer etwas mit meinem Notizbuch anfangen, das schwöre ich Dir (lacht).
Was steht auf der ersten Seite Deines Notizbuchs?
Lena: Im ersten Lockdown habe ich einen Persönlichkeitsentwicklungskurs online gestartet namens „Rise Up & Shine Uni“. Er arbeitet sehr viel mit dem Überschreiben von hinderlichen Glaubenssätzen und der Weiterentwicklung von Stärken. Man kann sich Affirmationen auf das Handy senden lassen. Einige Dinge davon habe ich tatsächlich auf der ersten Seite meines Notizbuchs stehen.
Da steht zum Beispiel, „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt“, oder „Großes beginnt mit kleinen Schritten.“ Weiters habe ich ein Zitat aus einem Interview der WU Academy aufgeschrieben, „If you are afraid to dive, dive afraid“ (beide lachen). Das fand ich so cool, da es nicht nur bildlich für etwas steht, was ich oft mache, nämlich einfach Chancen ergreifen, obwohl ich Angst habe. Es steht auch dafür, dass ich nicht unbedingt wasserlieb bin und mein Freund – mittlerweile Mann – hat vor Jahren zu mir gesagt, dass ich auch tauchen lernen soll.
Er hat mich solange bearbeitet, bis ich diesen Tauchschein gemacht habe. Das erste Mal war total hektisch und arg und jetzt ist es ein derartig cooles Refugium, eine ganz andere Welt, die er mir dadurch eröffnet hat und es war auch genauso, „If you are afraid to dive, dive afraid“ (beide lachen). Es lohnt sich.
Dann steht da noch, „Mein Weg wird erfolgreich und gleichzeitig voller Gelassenheit, Leichtigkeit und Freude sein.“ Das war das Wunder, das ich mir im Rahmen des Persönlichkeitsentwicklungskurses vorgenommen habe und an dem ich weiterhin dran bin. Das heißt, Affirmationen und coole Sprüche, die mir begegnen, sind auf der ersten Seite.
Sehr spannend. Ich komme darauf zurück, dass Du wirklich alles in Dein Notizbuch schreibst. Welches große Ziel hast Du in Deinem Leben schon erreicht?
Lena: Ich war 2004 beim Tsunami in Thailand dabei. Ein traumatisches Ereignis, wo ich praktisch mit 21 Jahren miterlebt habe, wie diese Welt innerhalb von Sekunden völlig auf dem Kopf stand. Damals haben viele ihr Leben verloren. Das Gefühl, dass man als junger Mensch hat, dass das Leben ewig dauert, habe ich damals verloren. Ich bin mir seither dieser Endlichkeit bewusst. Das Trauma von damals ist aufgelöst, die Einstellung ist geblieben.
Dadurch möchte ich immer viele Dinge gleichzeitig machen, da es morgen vorbei sein kann. Ich habe mir damals nach Phi Phi Island Gedanken gemacht – auf dieser Insel ist circa jeder Zweite umgekommen – was möchte ich mit dieser zweiten Chance anfangen? Klar war für mich, dass ich irgendwann Familie haben will, und gleichzeitig war klar, dass ich noch zu jung bin, damit jetzt zu starten. Ich habe mir damit Zeit gelassen und sehr viel in meine Karriere investiert.
Aus jetziger Sicht habe ich meine großen Ziele schon erreicht. Das heißt, wenn es jetzt vorbei wäre, müsste ich nichts mehr vermissen. Ich habe meine Lebensziele eine eigene Familie mit Kindern, eine erfüllte Partnerschaft und ein cooler Job mit Sinn und Impact für die Gesellschaft erreicht. Alles andere, was jetzt noch kommt ist das Sahnehäubchen (lacht).
Was denkst Du, welche Deiner Charakterstärken haben Dir dabei geholfen haben, jetzt schon alle für Dich wichtigen Ziele erreicht zu haben?
Lena: Ich glaube, auf jeden Fall Mut. Ich erkenne eine gewisse Struktur in der Retrospektive. Ich bin die Erstgeborene von drei Geschwistern, ich war immer schon Pionierin, was Ausbildungen angeht, das heißt ich war die erste bei einem Schulversuch, dann war ich die Erste im Lehrgang Prozessmanagement Gesundheit und habe immer „Pioniertum“ betrieben.
Da gehört für mich immer Mut dazu und Chance zu ergreifen, die sich auftun. Auch Mut im Sinn von Mut zur Lücke. Ich habe als Berufseinsteigerin oft gehört, dass ich zu Perfektionismus neige und gelernt, dass 80% auch reichen und damit Zeit für andere wichtige Sachen bleibt.
Weiters Neugierde. Ich bin ungemein neugierig auf neue Themen, zum Beispiel kommen in Corona-Zeiten auf Social Media so viele Informationen herein, die ich alle gerne aufnehmen würde. Es gibt auch so viele interessante Menschen und jede Begegnung ist für mich inspirierend. Ich lerne einfach gerne neue Themen und Menschen kennen und lerne gerne einfach immer dazu.
Eine weitere Charakterstärke, die dazu beigetragen hat, ist Empathie. Ich habe einen Persönlichkeitstest gemacht und auch in einem Coaching kam heraus, dass ich in meiner Grundanlage eine „Empathikerin“ bin und wahrnehme, was andere Menschen bewegt. Ich bereite Inhalte für sie entsprechend auf, sodass sie es nehmen können und das bereitet mir viele Vorteile in der Kommunikation. So bringe ich meine Projekte und Dinge voran, weil ich sie zielgruppengerecht aufbereiten kann.
Alles, was jetzt kommt, ist für Dich das Sahnehäubchen. Was sind denn Deine nächsten Sahnehäubchen-Ziele, die Du erreichen möchtest?
Lena: Als ich Mama wurde und ich auch die Erwartungen und Struggles hatte hinsichtlich Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bin ich auf das 4-in-1-Modell der Arbeit gestoßen. Es wird in der Arbeit mit Langzeitarbeitslosen verwendet und in der Diskussion um Verteilungsgerechtigkeit und Chancengleichheit eingesetzt. Es zeigt, dass arbeiten tätig sein bedeutet und nicht nur Erwerbsarbeit ist, sondern dass es drei weitere Dimensionen von Arbeit gibt: Sorge- oder Familienarbeit, Arbeit an der Gesellschaft in Form von gemeinnütziger Arbeit und Arbeit an Dir selbst im Sinne von Persönlichkeitsentwicklung.
Das Modell hat mir geholfen, die Familien- und Sorgearbeit auf gleicher Höhe zu sehen mit der Erwerbsarbeit und dadurch mit mir mehr ins Reine zu kommen. Gleichzeitig habe ich gesehen, dass ich im Sinne gesellschaftlicher Arbeit über meine Erwerbsarbeit als Managementberaterin im Gesundheits- und Sozialbereich hinaus noch relativ wenig gemacht habe. Hier bin ich jetzt gerade „sahnehäubchenmäßig“ verstärkt dabei, auch meine Position in der Geschäftsführung zu nutzen mich für Diversity im Gesundheitswesen einzusetzen und Female Leadership zu fördern.
Ich habe in der Management-Beratung und im Gesundheitswesen gesehen, welches zu über 70 Prozent weiblich besetzt ist, dass sich das nicht unbedingt in den Gestaltungspositionen widerspiegelt, das heißt im Top-Management oder in kollegialen Führungen. Dort möchte ich Förderung aktiv betreiben, und zwar nicht nur in meinem unmittelbaren Arbeitsumfeld, sondern ich möchte es gleich größer denken.
Gerade im Gesundheitswesen darf es nicht zu einer gesundheitlichen Schlechterstellung von Frauen oder Menschen mit dunkler Hautfarbe kommen. Es sollte ein Anspruch der Gesellschaft in einem reichen Industrieland wie Österreich sein, Chancengleichheit wahren zu wollen. Es ist leider bewiesen, dass auch die Medizin historisch am männlichen Normal ausgerichtet wurde, weshalb es zum Beispiel zum Gender Health Gap kam.
Herzinfarktsymptome können etwa sehr unterschiedlich zwischen Mann und Frau sein, daher erhalten Frauen tendenziell eine spätere Diagnose und damit einen schlechteren Ausgang der Erkrankung. Genauso werden Personen mit Migrationshintergründen häufig mit Stereotypen konfrontiert und – etwa, wenn es um die Kommunikation von Schmerz geht – nicht ernst genommen. Es fehlen uns andererseits auch Fachkräfte, etwa in der Pflege – eine Attraktivierung des Berufsbilds – auch für Männer – liegt daher ebenso im Interesse der Gesellschaft.
Erwiesenermaßen erhöht Vielfalt die Effektivität von Lösungen, stärkt die Performance in Unternehmen und Organisationen und natürlich die Chancengleichheit für jede und jeden Einzelnen. Da geht’s neben Geschlecht und Herkunft auch um die unterschiedlichen Generationen, Organisationshintergründe und so weiter. Dass wir so viele gesunde Lebensjahre gegenüber anderen Ländern der EU „verlieren“ kann einfach nicht sein und daher ist eines meiner nächsten Ziele eine Initiative zu gründen, die Vielfalt im Gesundheitswesen fördert und mit vereinten Kräften dagegen angeht.
Welche Deiner Charakterstärken helfen Dir für dieses Ziel aus Deiner Sicht an meisten? Das klingt nach einem großartigen Vorhaben.
Lena: Ja, es ist ein großartiges Vorhaben und es ist ein großes Vorhaben (beide lachen). Ich glaube, dass meine Neugierde hilft sowie Mut. Ich denke mir, „Just do it“, da aus meiner Sicht niemand dieses Thema von der Forschung und Lehre über Gesundheitseinrichtungen bis zur Industrie aufgreift und Vielfalt mit allen Facetten – Alter, Organisationshintergründe, Migrationshintergrund und Geschlecht – anschaut. Step by step und es wird sich in die richtige Richtung entwickeln.
Ich bin diesbezüglich einfach voller Vertrauen und sicher, dass mir meine Empathie und meine Kommunikationsstärke dabei helfen werden. Dadurch habe ich mir ein großes Netzwerk aufgebaut. Aus diesem Netzwerk werden wir die richtigen Leute zusammenbringen, damit daraus „mehr Vielfalt in der Gestaltung von Positionen im Gesundheitswesen“ entsteht – zum Wohl der Steuerzahler*innen und für weiterhin niederschwellige Versorgung der Einwohner*innen Österreichs.
Ich komme auf die Nutzung Deines Notizbuches zurück. Du hast vorher erwähnt, dass Du angefangen hast, Zeichnungen zu integrieren, alles in einem schreibst, chronologisch datierst und To-dos abhakst. Wie nutzt Du das Notizbuch sonst noch?
Lena (blättert in ihrem Notizbuch): Ich kritzle auch hinein, das heißt ich mache Schreibmalereien, und ich kastle ein. Ich achte immer darauf, Plus-Zeichen für Aufzählungen zu verwenden, da dies eine positive Assoziation hat. Ich mache gerne Hashtags für Nummern, benutze Fragezeichen für noch zu klärende Dinge und ich schreibe leider überhaupt nicht in Linien. Ich schreibe ganz viel schief und herum. Manchmal habe ich Rahmen rundherum, um dem Ganzen eine Fassung zu geben. Ich nutze Rufzeichen für wesentliche Aussagen.
Was steht auf der letzten Seite in Deinem Notizbuch?
Lena (überlegt): Die letzte Seite ist leer (sieht in ausgeschriebenen Notizbüchern nach). Das ist eine gute Anregung, dass man jedes Mal ein Kapitel schließt. Da könnte man Resümee ziehen. Meistens ist es so, wenn man sich etwas für einen bestimmten Zeitraum vornimmt, ist es zu viel. Wenn man dann jedoch zurückschaut und dabei einen größeren Zeitraum betrachtet, zum Beispiel fünf Jahre, dann ist man überwältigt von dem, was geschafft ist.
Das heißt, die letzte Seite ist derzeit leer. Es würde sich aber lohnen zurückzuschauen, was in diesem Notizbuch verewigt ist und was damit für Meilensteine und Erfolge einhergegangen sind, und diese auf der letzten Seite zusammenzufassen. Das nehme ich mir jetzt für mein aktuelles Notizbuch vor. Danke für den Input!
Liebe Lena, das ist eine schöne Anregung zum Schluss, dass man rückblickend doch oft mehr geschafft hat als einem bewusst war, und dass man mit einem ausgeschriebenen Notizbuch Resümee ziehen und dies auf der letzten Seite verewigen kann.
Mag. (FH) Lena Sattelberger, zPM studierte Prozessmanagement Gesundheit an der Fachhochschule Steyr im ersten Jahrgang und ist unter anderem zertifizierte Projektmanagerin, Geschäftsführerin sowie Mentorin. Sie ist außerdem glückliche Ehefrau und Mutter, hat alle für sie wichtigen Lebensziele schon erreicht und betrachtet alle zukünftig erreichten Ziele als Sahnehäubchen. Lena lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Wien.
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